Beschlüsse:

Der Stadtrat beschließt die Einstellung des Aufstellungsverfahrens zum Bebauungsplan 60.08. “Alter Garten”.

 

Dem Antrag wird bei neun Ja-Stimmen, 14 Gegenstimmen und sechs Enthaltungen nicht zugestimmt.

 

Der Stadtrat beschließt, das Aufstellungsverfahren zum Bebauungsplan 60.08 “Alter Garten” ruhen zu lassen und die gesetzlichen Änderungen (BNatSchG, BauGB) abzuwarten.

 

Der Beschluss ergeht mehrheitlich bei 21 Ja-Stimmen, sechs Gegenstimmen und zwei Enthaltungen.

 


Sachverhalt:

Die Planungen zum Bebauungsplan 60.08 „Im alten Garten“ stocken seit geraumer Zeit. Hintergrund ist, dass im Plangebiet bei einer naturschutzrechtlich erforderlichen Kartierung größere Flächen der naturschutzrechtlich geschützten mageren Flachland-Mähwiesen festgestellt wurden (ursprünglich nur in Rheinland-Pfalz, mittlerweile bundeseinheitlich geschützt nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr.7 BNatSchG).

Von dem Verbot der Inanspruchnahme gesetzlich geschützter Biotope kann auf Antrag eine Ausnahme zugelassen werden, sofern durch geeignete Maßnahmen die Beeinträchtigungen ausgeglichen werden können (§ 30 Abs. 3 BNatSchG). Vorliegend bedeutet dies, dass an anderer Stelle im gleichen Landschaftsraum ersatzweise ein gleichartiges Biotop neu zu schaffen ist. Dessen Größe bestimmt sich in Abhängigkeit der jeweiligen Ausprägung des Biotopes auf der Eingriffsfläche; vorliegend ist nach bisheriger Vorgabe der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde für jeden Quadratmeter Eingriffsfläche eine 1,5-fach größere Ersatzfläche anzulegen. Da im Plangebiet selbst die Biotopflächen zusammengenommen eine Fläche von 9.193 m² einnehmen, muss das Ersatzbiotop eine Fläche von mind. 1,37 ha aufweisen (13.709 m²).

 

60080100-3 210601 BPlan mit Biotopflächen 2021

Abbildung 1: geschützte Biotope im Eingriffsbereich mit Ausprägung Stufe B (pink) und Stufe C (orange)

 

Innerhalb des Ortsteils Unkelbach stehen geeignete Flächen nicht zur Verfügung. Ein 2020/2021 durch Ortsvorsteher Egmond Eich vermittelter Versuch, auf privaten Grundstücken in Unkelbach entsprechende Ersatzflächen bereitzustellen, scheiterte letztendlich an der fehlenden Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümer.

 

Im Rahmen einer Bürgerversammlung am 01.06.2021 wurde über diesen Sachverhalt öffentlich informiert und die Unkelbacher Bürger*innen gebeten, evtl. sonstige geeignete Flächen der Stadt zur Verfügung zu stellen bzw. zum Kauf anzubieten. Dieser Versuch blieb bis heute leider fruchtlos und so prüfte die Verwaltung schließlich stadtweit andere im städtischen Eigentum befindliche Flächen auf ihre diesbezügliche Verwendbarkeit.

 

So könnten Restflächen einer in Bandorf gelegenen Parzelle genutzt werden, die in einer im Ansatz ähnlichen Konstellation für den Bau des Bandorfer Kindergartens als Ersatzbiotop nicht benötigt werden. Die meisten Grünlandflächen in städtischem Besitz kamen auf Grund ihrer Nutzung oder Bewirtschaftung als Fläche für ein Ersatzbiotop nicht in Frage. Gleichwohl konnten einzelne potenzielle Flächen in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Pächtern im Ortsteil Remagen identifiziert werden.

 

Selbige wurden im letzten Jahr vom Planungsbüro Hilgers aus Bonn fachlich untersucht. Die Untersuchungen und deren Bewertungen schloss das Planungsbüro Ende 2022 ab. Darin kommt der Biologe zu dem Schluss, dass die von ihm untersuchten Flächen als potenzielles Ersatzbiotop im Umfang von rund 1,2 ha (12.073 m²) in Frage kommen (vgl. dort Kap. 5 Zusammenfassende Bewertung, S. 13). Er weist aber ausdrücklich auch darauf hin, dass „die Umwandlung bestehender Grünlandflächen mit Gräserdominanz in artenreichte Wiesen in der Umsetzung schwierig ist und eine intensive Betreuung erfordert.“

 

Zusammenfassend ist festzustellen, dass ein Abschluss der Planungen zum Bebauungsplan 60.08 „Im alten Garten“ und deren bauliche Umsetzung somit nur durch die Bereitstellung von Grünland-Ersatzflächen in Bandorf und Remagen möglich wäre. Diese Flächen könnten für andere Planungen oder Projekte nicht mehr verwendet werden.

 

Die für die Biotopverlagerung entstehenden Material- und Gerätekosten werden von der Verwaltung für das erste Jahr in einer Größenordnung von etwa 20.000 bis 25.000 € geschätzt. Hierin berücksichtigt sind die mehrmalige Mahd und das Vorbereiten der Flächen, der Ankauf der Saatgutmischung, das säen und walzen der Grünlandflächen sowie erfahrungsgemäß erforderlich werdende Nachsaaten. Der in den Folgejahren entstehende Aufwand hängt davon ab, wie sich die neu angelegten Flächen jeweils entwickeln, wobei die vorstehend zitierten Prognosen des Büros Hilgers eher einen höheren Aufwand erwarten lassen.

 

Beim Satzungsbeschluss 2011 hatte der Stadtrat entschieden, dass die Erschließung des Baugebietes durch die Eigentümer im Rahmen eines noch abzuschließenden Vertrages erfolgen sollte. Aufbauend hierauf könnten im aktuellen Verfahren die begünstigten Eigentümer lediglich im Rahmen eines mit jedem Einzelnen abzuschließenden städtebaulichen Vertrages an den Kosten der Biotopverlagerung beteiligt werden. Eine Anwendung der Kostenerstattungssatzung nach den §§ 135 a bis c BauGB scheidet aus, da es sich vorliegend nicht um finanzielle Aufwendungen durch Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen im Zusammenhang mit Eingriffen in Natur und Landschaft handelt (§§ 13 – 19 BNatSchG). Die Folgekosten resultieren vielmehr aus einem geplanten Eingriff in gesetzlich geschützte Biotope (§ 30 BNatSchG), zu denen der Träger der Planung zum Ausgleich verpflichtet ist (hier die Stadt Remagen).

Ein Zwang zum Abschluss eines solchen städtebaulichen Vertrages und der darin zu regelnden anteiligen Kostenübernahme für die Kompensations­maßnahmen kann - sofern überhaupt ­- nur in der Form ausgeübt werden, dass die Stadt die Bauleitplanung erst dann förmlich abschließt, wenn alle Begünstigten ihren Vertrag unterschrieben haben.

Ersatzweise müsste die Stadt die dauerhafte Unterhaltung und Sicherung der Grünlandflächen aus eigenen Mitteln bestreiten.

 

 

In die Überlegungen zur Fortführung der Planungen zum Baugebiet „Im alten Garten“ einzubeziehen ist ein aktuelles Urteil des BVerwG vom 18.07.2023 (vorgehend: VGH Mannheim). In seinem Urteil kommt das Bundesgericht zu dem Ergebnis, dass der § 13b BauGB gegen EU-Recht verstößt, weil dieser entgegen den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Siedlungsentwicklung im Außenbereich den Verzicht auf eine Umweltprüfung erlaubt.

Da auch der Bebauungsplan “Im alten Garten” mit dieser 2017 eingeführten rechtlichen Grundlage aufgestellt wurde, müsste die Aufstellung des Bebauungsplans im Fall einer Fortsetzung auf ein Regelverfahren umgestellt werden. Damit gelten die bislang begünstigenden Regelungen des § 13b BauGB zum naturschutzrechtlichen Ausgleich nicht mehr, nach denen Eingriffe in Natur und Landschaft (i.S. der §§ 13-18 BauGB) von Gesetzes wegen als bereits vor der Planung zulässig galten.

Für die weiteren Verfahrensschritte müssen damit Fachbeiträge zum Arten- und Naturschutz neu beauftragt werden, denn auf die 2016 für die frühzeitige Beteiligung erstellten Unterlagen kann wegen der seitdem verstrichenen Zeit nicht mehr zurückgegriffen werden. Daher werden zusätzlich zu den Ersatzflächen für den Biotopverlust “herkömmliche” Ausgleichsmaßnahmen umzusetzen sein, deren Art und Umfang sich erst aus den neuen Fachbeiträgen ergeben wird. Der Bebauungsplan wäre damit mindestens inhaltlich, wahrscheinlich auch räumlich zu überarbeiten. Bereits der 2016 erarbeitete Entwurf sah vor, den wesentlichen Teil der Kompensation außerhalb des Eingriffsbereichs vorzunehmen (Waldflächen in Remagen).

 

Neben alledem muss eine politische Antwort auf die grundsätzliche Frage gefunden werden, für welche Planung und welches Projekt die derzeit verfügbaren Grünlandflächen aus städtischem Besitz vorgehalten werden sollen. So überarbeitet der Gesetzgeber derzeit die gesetzlichen Grundlagen für den Bau und Betrieb von Freiflächensolaranlagen. Zumindest ein Teil der für die Biotopverlagerung in Frage kommenden Flächen könnte alternativ für eine derartige Nutzung geeignet sein, mit der die Stadt Remagen einen Beitrag zur Klimaneutralität und zur Versorgung des Landes mit erneuerbarer Energie leisten könnte.

 

Zudem hat die Bundesregierung zuletzt vereinbart, dass Ausgleichsmaßnahmen künftig auch monetär erbracht werden können. Unter Umständen wäre ein Abwarten einer Änderung der gesetzlichen Grundlagen (BNatSchG, BauGB) mit Blick auf eine anderweitige Nutzung der in Frage stehenden städtischen Flächen angezeigt.

 

 

Der Ortsbeirat Unkelbach hat in seiner Sitzung am 09.08.2023 beschlossen das Neubaugebiet unter Verwendung der vorhandenen gesamtstädtischen Ausgleichsflächen zu realisieren.

 

 

Bürgermeister Björn Ingendahl ergänzt, dass die Beschlusslage im Ortsbeirat als schwierig zu bewerten sei, da der entsprechende Beschluss mit nur drei Stimmen gefasst wurde. Der Bau-, Verkehrs- und Umweltausschuss habe nach ausführlicher Diskussion den Empfehlungsbeschluss gefasst, der Stadtrat möge die Einstellung des Verfahrens beschließen.

 

Alternativ könnte man auf Grundlage des Baulückenkatasters, das Augenmerk auf die Innenstadtverdichtung legen, führt der Vorsitzende weiter aus.

 

In der anschließenden Diskussion wird deutlich, dass die Mehrheit der Ratsmitglieder die Einstellung des Verfahrens als verfrüht ansieht. Die SPD-Fraktion beantragt daher, das Aufstellungsverfahren in das Regelverfahren zu überführen und bis dahin ruhen zu lassen.

 

Es ergehen folgende