Betreff
Erstmalige Herstellung der Straße "Gertrudisweg" von der Wachtbergstraße bis zum Flurstück 70 (Gertrudisweg 16); Abwägungsbeschluss gemäß § 125 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB)
Vorlage
0335/2016
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

Der Bau-, Verkehrs- und Umweltausschuss empfiehlt dem Stadtrat folgenden Beschluss:

Nach Abwägung der öffentlichen und privaten Belange ist festzustellen, dass bei der erstmaligen Herstellung der Straße „Gertrudisweg“ die Bestimmungen des § 125 Abs. 2 BauGB eingehalten wurden.

 


Sachverhalt:

Die Herstellung von Erschließungsanlagen i.S. des § 127 Abs. 2 BauGB setzt einen Bebauungsplan voraus. Liegt ein solcher nicht vor, dürfen diese Anlagen nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Abs. 4 bis 7 Baugesetzbuch (BauGB) bezeichneten Anforderungen entsprechen (§ 125 Abs. 2 BauGB).

Darin geregelt sind

  • das Anpassungsgebot an die Ziele der Raumordnung (Abs. 4),
  • die zu beachtenden Planungsgrundsätze (Absatz 5)
  • die von einer Bauleitplanung insbesondere zu berücksichtigenden Einzelbelange (Abs. 6)
  • das Abwägungsgebot (Abs. 7).

 

Unklar bleibt, in welcher Art und Weise der Nachweis über die Einhaltung der Bestimmungen des § 125 Abs. 2 BauGB letztlich vorzunehmen ist. Nicht nur in der hier vorliegenden einschlägigen Kommentierung zum BauGB (Ernst – Zinkahn – Bielenberg, BauGB Kommentar) bleibt diese Frage offen. Auch wer für die Dokumentation letztlich zuständig sein soll, bleibt unbestimmt. In der bisherigen Verwaltungspraxis wurde der Nachweis durch einem verwaltungsinternen Aktenvermerk geführt. Zunehmend jedoch verlangen die Gerichte, wie z.B. das OVG NRW, für die Abwägung einen förmlichen Ratsbeschluss.

Im Hinblick darauf empfahl die Kreisverwaltung im Zuge eines laufenden Wider­spruchs­­verfahrens zu einer anderen Maßnahme, zur Abrechnung über die Erschließungs­maß­nahme Gertrudisweg aus Gründen der Rechtssicherheit einen Ratsbeschluss herbei­zuführen. Dies könne bis zur letzten Tatsacheninstanz in einem gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden, d. h. auch noch nach Abschluss der Baumaßnahme.

 

 

Der aktuelle Fall betrifft die Planung und den Bau der „Erschließungsmaßnahme Gertrudisweg“ in Oedingen. Hier wurde die Straße in einem unbeplanten Gebiet hergestellt. Der vormalige Bebauungsplan 40.01 „Ortsmitte Oedingen“ wurde vom OVG Rheinland-Pfalz aufgehoben (08.09.2000) und ist daher nicht mehr anzuwenden.

In der Örtlichkeit bestand über Jahre hinweg eine Fahrbahn mit zumeist bituminöser Oberfläche, über welche die anliegenden Wohnbaugrundstücke angefahren wurden. Mit der 2015 durchgeführten Baumaßnahme wurde die Straße im Sinne des Erschließungsrechts erstmalig hergestellt.

 

 

Mit den nachfolgenden Ausführungen erfolgt der vom Stadtrat zu beschließende Nachweis über die Berücksichtigung der in § 125 Abs. 2 benannten Belange.

 

 

§ 1 Abs. 4 BauGB

Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.“

 

Die Ziele der Raumordnung stehen der Baumaßnahme nicht entgegen. Die erstmalige Herstellung erfolgte in einem über Jahrzehnte gewachsenem Quartier und beschränkt sich auf die bereits zuvor vorhandene Trasse. Die Straße dient ausschließlich der Erschließung der bereits vorhandenen Bebauung und führt nicht dazu, dass über den Bestand hinaus weitere Grundstücke erstmalig als erschlossen gelten könnten. Überörtliche Auswirkungen sind der Baumaßnahme nicht zuzurechnen.

 

§ 1 Abs. 5 BauGB

1Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten. 2Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. 3Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.“

 

Die Planungsgrundsätze wurden, soweit sie für die Maßnahme überhaupt von Belang waren, bei der Planung berücksichtigt.

Die Anlage beschränkt sich räumlich auf die zuvor über Jahrzehnte von den Anliegern zu Erschließungszwecken benutzte Fläche. Die vorgenommene Verbesserung dient einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung. Mit der Beschränkung auf die bereits zuvor vom Verkehr beanspruchten Teilflächen wird eine Inanspuchnahme bisher unversiegelter oder anderweitig genutzter Flächen vermieden. Dies ist insbesondere unter naturschutzrechtlichen Aspekten besonders zu begrüßen.

 

 

§ 1 Abs. 6 BauGB

Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.     die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,

2.     die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,

3.     die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,

4.     die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,

5.     die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,

6.     die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,

7.     die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere

a)     die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,

b)     die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,

c)     umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,

d)     umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,

e)     die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,

f)      die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,

g)     die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,

h)     die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,

i)      die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a, c und d,

8.     die Belange

a)     der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,

b)     der Land- und Forstwirtschaft,

c)     der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,

d)     des Post- und Telekommunikationswesens,

e)     der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,

f)      der Sicherung von Rohstoffvorkommen,

9.     die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,

10.  die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,

11.  die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,

12.  die Belange des Hochwasserschutzes,

13.  die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung.“

 

Die Straßenbaumaßnahme dient der ordnungsgemäßen Erschließung eines seit Jahrzehnten vorhandenen Bebauungszusammenhangs. Erst hierdurch werden die durch die Wohnnutzung  gestellten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Erschließung erfüllt. Damit stellt die Maßnahmen den Erhalt der Bebauung langfristig sicher.

Denkmalrechtliche Belange wie auch die Belange der Kirchen und Religionsgemeinschaften waren von der Baumaßnahme nicht berührt.

Dem Umweltschutz wurde in verschiedener Hinsicht genüge getan. Als Beleg für eine schonende Inanspruchnahme von Grund und Boden ist hier insbes. die Beschränkung des Ausbaus auf die zuvor bereits vorhandene bituminöse Fahrbahn zu nennen. Zur Verbesserung der Situation trägt zudem bei, dass das Niederschlagswasser in Form einer neu hergestellten Versickerungsfläche sowie dem breitflächigen Überlauf dem Bachlauf zugeführt wird.

Der Straßenquerschnitt im Abschnitt nördlich der Pater-Bentivolius-Marxen-Straße wurde auf das Maß von 4,5 m reduziert, die zuvor darüber hinausgehenden Teilflächen entsiegelt und dem Bach zugeschlagen.

Angesichts der vorstehenden Ausführungen sind nachteilige Auswirkungen auf Fauna und Flora ausgeschlossen. Natura 2000-Gebiete werden von der Planung nicht berührt, diese sind erst in größerer Entfernung zu finden. Nachteilige umweltbezogene Auswirkungen werden durch die nunmehr befestigte Straßenoberfläche nicht hervorgerufen.

 

Die weiteren unter den Nummern 8 bis 13 aufgeführten Belange werden von der Straßenbaumaßnahme nicht oder nur geringfügig beführt.

 

 

 

§ 1 Abs. 7 BauGB

„Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen“

 

Die Zulässigkeit von Bauvorhaben im Innenbereich, insbesondere die von Wohnbauvorhaben, setzt das Vorhandensein einer gesicherten Erschließung voraus. Dies gilt auch für Gebiete im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Die Voraussetzung einer gesicherten Erschließung sowie die üblicherweise zu stellenden Anforderungen an die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs wurden erst mit der 2015 durchgeführten Straßenbaumaßnahmen nachträglich erfüllt.

 

Nachteilige Auswirkungen für Natur und Landschaft i.S. des § 1 Abs. 6 BauGB waren durch die Beschränkung auf die bereits zuvor vorhandene bituminöse Fläche nicht zu erwarten. Belange, die eine andersartige Ausführung der Trasse erforderlich machen würden, drängten sich nicht auf und  wurden auch im Zuge der Beteiligung der Anlieger nicht vorgetragen.

 

Belange, die den Ausbau der Straße und die dabei erfolgte Flächeninanspruchnahme grundsätzlich in Frage stellen würden, drängen sich gleichfalls nicht auf und wurden weder von Seiten der Bürger noch der Behörden benannt.

 

 

Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass die Herstellung der Erschließungsanlage Gertrudisweg den Anforderungen des § 125 Abs. 2 BauGB genügt.