Bauleitplanung der Stadt Remagen
Bebauungsplan 60.08 "Im alten Garten", Unkelbach
- Beratung über Fortführung der Planung
Beschlussvorschlag:
-offen-
Sachverhalt:
Die Planungen zum
Bebauungsplan 60.08 „Im alten Garten“ stocken seit geraumer Zeit. Hintergrund
ist, dass im Plangebiet bei einer naturschutzrechtlich erforderlichen
Kartierung größere Flächen der naturschutzrechtlich geschützten mageren
Flachland-Mähwiesen festgestellt wurden (ursprünglich nur in Rheinland-Pfalz,
mittlerweile bundeseinheitlich geschützt nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr.7
BNatSchG).
Von dem Verbot der
Inanspruchnahme gesetzlich geschützter Biotope kann auf Antrag eine Ausnahme
zugelassen werden, sofern durch geeignete Maßnahmen die Beeinträchtigungen
ausgeglichen werden können (§ 30 Abs. 3 BNatSchG). Vorliegend bedeutet dies,
dass an anderer Stelle im gleichen Landschaftsraum ersatzweise ein
gleichartiges Biotop neu zu schaffen ist. Dessen Größe bestimmt sich in
Abhängigkeit der jeweiligen Ausprägung des Biotopes auf der Eingriffsfläche;
vorliegend ist nach bisheriger Vorgabe der zuständigen Unteren
Naturschutzbehörde für jeden Quadratmeter Eingriffsfläche eine 1,5-fach größere
Ersatzfläche anzulegen. Da im Plangebiet selbst die Biotopflächen
zusammengenommen eine Fläche von 9.193 m² einnehmen, muss das Ersatzbiotop eine
Fläche von mind. 1,37 ha aufweisen (13.709 m²).
Abbildung 1: geschützte Biotope im Eingriffsbereich mit
Ausprägung Stufe B (pink) und Stufe C (orange)
Innerhalb des
Ortsteils Unkelbach stehen geeignete Flächen nicht zur Verfügung. Ein 2020/2021
durch Ortsvorsteher Egmond Eich vermittelter Versuch, auf privaten Grundstücken
in Unkelbach entsprechende Ersatzflächen bereitzustellen, scheiterte
letztendlich an der fehlenden Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümer.
Im Rahmen einer
Bürgerversammlung am 01.06.2021 wurde über diesen Sachverhalt öffentlich
informiert und die Unkelbacher Bürger*innen gebeten, evtl. sonstige geeignete
Flächen der Stadt zur Verfügung zu stellen bzw. zum Kauf anzubieten. Dieser
Versuch blieb bis heute leider fruchtlos und so prüfte die Verwaltung
schließlich stadtweit andere im städtischen Eigentum befindliche Flächen auf
ihre diesbezügliche Verwendbarkeit.
So könnten Restflächen
einer in Bandorf gelegenen Parzelle genutzt werden, die in einer im Ansatz
ähnlichen Konstellation für den Bau des Bandorfer Kindergartens als
Ersatzbiotop nicht benötigt werden. Die meisten Grünlandflächen in städtischem
Besitz kamen auf Grund ihrer Nutzung oder Bewirtschaftung als Fläche für ein
Ersatzbiotop nicht in Frage. Gleichwohl konnten einzelne potenzielle Flächen in
Zusammenarbeit mit den jeweiligen Pächtern im Ortsteil Remagen identifiziert werden.
Selbige wurden im
letzten Jahr vom Planungsbüro Hilgers aus Bonn fachlich untersucht. Die
Untersuchungen und deren Bewertungen schloss das Planungsbüro Ende 2022 ab; der
Bericht ist der Beschlussvorlage als Anlage beigefügt. Darin kommt der Biologe
zu dem Schluss, dass die von ihm untersuchten Flächen als potenzielles
Ersatzbiotop im Umfang von rund 1,2 ha (12.073 m²) in Frage kommen (vgl. dort
Kap. 5 Zusammenfassende Bewertung, S. 13). Er weist aber ausdrücklich auch
darauf hin, dass „die Umwandlung bestehender Grünlandflächen mit Gräserdominanz
in artenreichte Wiesen in der Umsetzung schwierig ist und eine intensive
Betreuung erfordert.“
Zusammenfassend ist
festzustellen, dass ein Abschluss der Planungen zum Bebauungsplan 60.08 „Im
alten Garten“ und deren bauliche Umsetzung somit nur durch die Bereitstellung
von Grünland-Ersatzflächen in Bandorf und Remagen möglich wäre. Diese Flächen
könnten für andere Planungen oder Projekte nicht mehr verwendet werden.
Die für die
Biotopverlagerung entstehenden Material- und Gerätekosten werden von der
Verwaltung für das erste Jahr in einer Größenordnung von etwa 20.000 bis 25.000
€ geschätzt. Hierin berücksichtigt sind die mehrmalige Mahd und das Vorbereiten
der Flächen, der Ankauf der Saatgutmischung, das säen und walzen der
Grünlandflächen sowie erfahrungsgemäß erforderlich werdende Nachsaaten. Der in
den Folgejahren entstehende Aufwand hängt davon ab, wie sich die neu angelegten
Flächen jeweils entwickeln, wobei die vorstehend zitierten Prognosen des Büros
Hilgers eher einen höheren Aufwand erwarten lassen.
Beim Satzungsbeschluss
2011 hatte der Stadtrat entschieden, dass die Erschließung des Baugebietes
durch die Eigentümer im Rahmen eines noch abzuschließenden Vertrages erfolgen
sollte. Aufbauend hierauf könnten im aktuellen Verfahren die begünstigten
Eigentümer lediglich im Rahmen eines mit jedem Einzelnen abzuschließenden
städtebaulichen Vertrages an den Kosten der Biotopverlagerung beteiligt werden.
Eine Anwendung der Kostenerstattungssatzung nach den §§ 135 a bis c BauGB
scheidet aus, da es sich vorliegend nicht um finanzielle Aufwendungen durch
Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen im Zusammenhang mit Eingriffen in Natur und
Landschaft handelt (§§ 13 – 19 BNatSchG). Die Folgekosten resultieren vielmehr
aus einem geplanten Eingriff in gesetzlich geschützte Biotope (§ 30 BNatSchG),
zu denen der Träger der Planung zum Ausgleich verpflichtet ist (hier die Stadt
Remagen).
Ein Zwang zum
Abschluss eines solchen städtebaulichen Vertrages und der darin zu regelnden
anteiligen Kostenübernahme für die Kompensationsmaßnahmen kann - sofern
überhaupt - nur in der Form ausgeübt werden, dass die Stadt die Bauleitplanung
erst dann förmlich abschließt, wenn alle Begünstigten ihren Vertrag
unterschrieben haben.
Ersatzweise müsste die
Stadt die dauerhafte Unterhaltung und Sicherung der Grünlandflächen aus eigenen
Mitteln bestreiten.
In die Überlegungen
zur Fortführung der Planungen zum Baugebiet „Im alten Garten“ einzubeziehen ist
ein aktuelles Urteil des BVerwG vom 18.07.2023 (vorgehend: VGH Mannheim). In
seinem Urteil kommt das Bundesgericht zu dem Ergebnis, dass der § 13b BauGB
gegen EU-Recht verstößt, weil dieser entgegen den unionsrechtlichen Vorgaben
für eine Siedlungsentwicklung im Außenbereich den Verzicht auf eine Umweltprüfung
erlaubt.
Da auch der
Bebauungsplan “Im alten Garten” mit dieser 2017 eingeführten rechtlichen
Grundlage aufgestellt wurde, müsste die Aufstellung des Bebauungsplans im Fall
einer Fortsetzung auf ein Regelverfahren umgestellt werden. Damit gelten die
bislang begünstigenden Regelungen des § 13b BauGB zum naturschutzrechtlichen
Ausgleich nicht mehr, nach denen Eingriffe in Natur und Landschaft (i.S. der §§
13-18 BauGB) von Gesetzes wegen als bereits vor der Planung zulässig galten.
Für die weiteren
Verfahrensschritte müssen damit Fachbeiträge zum Arten- und Naturschutz neu
beauftragt werden, denn auf die 2016 für die frühzeitige Beteiligung erstellten
Unterlagen kann wegen der seitdem verstrichenen Zeit nicht mehr zurückgegriffen
werden. Daher werden zusätzlich zu den Ersatzflächen für den Biotopverlust
“herkömmliche” Ausgleichsmaßnahmen umzusetzen sein, deren Art und Umfang sich
erst aus den neuen Fachbeiträgen ergeben wird. Der Bebauungsplan wäre damit
mindestens inhaltlich, wahrscheinlich auch räumlich zu überarbeiten. Bereits
der 2016 erarbeitete Entwurf sah vor, den wesentlichen Teil der Kompensation
außerhalb des Eingriffsbereichs vorzunehmen (Waldflächen in Remagen).
Neben alledem muss
eine politische Antwort auf die grundsätzliche Frage gefunden werden, für
welche Planung und welches Projekt die derzeit verfügbaren Grünlandflächen aus
städtischem Besitz vorgehalten werden sollen. So überarbeitet der Gesetzgeber
derzeit die gesetzlichen Grundlagen für den Bau und Betrieb von Freiflächensolaranlagen.
Zumindest ein Teil der für die Biotopverlagerung in Frage kommenden Flächen
könnte alternativ für eine derartige Nutzung geeignet sein, mit der die Stadt
Remagen einen Beitrag zur Klimaneutralität und zur Versorgung des Landes mit
erneuerbarer Energie leisten könnte.
Zudem hat die
Bundesregierung zuletzt vereinbart, dass Ausgleichsmaßnahmen künftig auch
monetär erbracht werden können. Unter Umständen wäre ein Abwarten einer
Änderung der gesetzlichen Grundlagen (BNatSchG, BauGB) mit Blick auf eine
anderweitige Nutzung der in Frage stehenden städtischen Flächen angezeigt.
Der Ortsbeirat
Unkelbach hat in seiner Sitzung am 09.08.2023 beschlossen das Neubaugebiet
unter Verwendung der vorhandenen gesamtstädtischen Ausgleichsflächen zu
realisieren.